Dominikus Savio, der jüngste Selige

Von der hl. Wandlung war letztes Mal die Rede: Gewandelt wird das Brot in den Leib Jesu, der Wein in das Blut Jesu und diese kostbarste Opfergabe wird dem himmlischen Vater dargebracht zum Lob und Preis, zur Sühne und Wiedergutmachung für unsere Sünden.

Aber noch etwas sollte gewandelt werden: Nicht im Laufe einer hl. Messe, wohl aber im Laufe eines Kirchenjahres, im Laufe eines Lebens: wir selber sollten uns wandeln, immer mehr und mehr, aus Sündern in Heilige! Und das gilt mir, das gilt den Schwestern, das gilt aber auch euch jungen Menschen!

Von dieser Wandlung möchte ich heute zu euch sprechen, nicht abstrakt, sondern ganz konkret an einem Beispiel möchte ich euch das zeigen: Du musst dich wandeln!? Du musst ein Heiliger werden, verstehst du? Das ist deine Aufgabe, deine Sendung! Und du schüttelst den Kopf und sagst: Ich und ein Heiliger? Unmöglich! Ich bin doch ein quicklebendiges, frohes, junges Menschenkind, wie soll ich heilig werden? Das ist zu schwer. Das ist unmöglich. Heilig werden, nein, das fang ich lieber gar nicht an. Ich würde es doch nicht weit dabei bringen.

Und wenn der Bub, der heute in Rom selig gesprochen wird, auch so gedacht hätte, naja, dann wäre er halt auch ein armseliger Durchschnitt geblieben. Kein Mensch würde heute von ihm reden. Er wäre vergessen wie seine Schulkameraden von damals. So aber jubeln ihm heute im Petersdom 8000 junge Menschen zu und schauen auf zu ihm, diesem jüngsten Seligen unserer hl. Kirche. Sag nicht so schnell: ich kann nicht heilig werden, das ist zu schwer. Ich will dir heute in der Predigt kurz zeigen, wie es der 15jährige Bub Dominikus Savio gemacht hat!

Zuerst steigen wir ein in den bereitstehenden Sonderzug, den ich bestellt habe: Für jede Gruppe ein Waggon. Auch die Schwestern dürfen mitfahren. Ich bin der Reiseleiter, der Pilgerführer. Wir fahren nach Rom, in die Ewige Stadt. Ich führe euch alle hinein in die Peterskirche. Die besten Einlasskarten habe ich vorbestellt. Alle bekommen wir Platz auf einer feinen Tribüne in der Nähe des Papstaltares am linken ersten Pfeiler der riesigen Kuppel, unter der Statue der hl. Ordensstifterin Mutter Maria Euphrasia Pelletier.

Wir betreten den Dom. Wir kommen zuerst aus dem Schauen und Staunen nicht heraus. Heute, jetzt, zu eben dieser Stunde ist der weite Petersdom schon voll von Menschen: tausende und Abertausende, Zehntausende, lauter junge Menschen in eurem Alter füllen heute den Petersdom. In dieser Stunde heute soll ja einem aus eurer Altersstufe die Ehre der Altäre zuteilwerden: Dominikus Savio!

Der jüngste Bub, der je in der Kirchengeschichte als Bekenner selig gesprochen wurde.

Rückwärts am Hochaltar der Peterskirche wird soeben sein Bild enthüllt: wirklich ein Bub, ein frischer Bub mit 14 Jahren und 11 Monaten! Der hat es mit seinen heroischen Tugenden erreicht, dass sich die obersten Ämter der Kirche bis hinauf zum Papst jahrelang mit seinem Leben beschäftigten in einem ganz genauen Prozess. Und der hat es erreicht, dass der liebe Gott auf seine Fürbitte hin zwei echte, nachgewiesene Wunder, zwei ganz wunderbare Heilungen sterbenskranker Menschen wirkte. Und nun wird dieser Bub auf das hin, nachdem im Seligsprechungsprozess nachgewiesen worden ist, dass er die wichtigsten Tugenden in heroischem Ausmaß besaß und dass auf seine Fürsprache hin zwei Wunder geschahen, nun wird also dieser Bub selig gesprochen, vielleicht schon bald heiliggesprochen und allen Gläubigen, vor allem der Jugend als Vorbild hingestellt.

Der selige Dominikus Savio!

Wer war er? Was war er?

Sein Leben ist schnell erzählt: am 2. April 1842 ist er geboren worden als Sohn eines einfachen Dorfschmiedes in einem kleinen Nest in Oberitalien. Die Eltern haben es nicht leicht gehabt, sie waren nicht reich. Manchmal war der Vater sogar arbeitslos. Aber ernst genommen haben es diese Eltern mit der Erziehung ihres Buben. Der kleine Niko war ein frisches Kerlchen, froh und lustig, aber immer artig. Und eins hat er gerne: Gebetet hat er gerne. Die Mutter konnte ihn nicht oft genug in die Kirche mitnehmen. Dann wuchs er heran, frisch, fromm, fröhlich. Der Erstkommuniontag bedeutete einen gewaltigen, weitreichenden Einschnitt in seinem jungen Leben. Mit einer staunenswerten Reife hatte er den Sinn dieses Tages, die Bedeutung dieser ersten innigsten Begegnung mit seinem König Jesus Christus erfasst. Und am Abend dieses Erstkommuniontages schrieb sich der Siebenjährige drei Vorsätze nieder, die er sein Leben lang halten wollte: 1. Ich will oft zur hl. Beichte gehen und so oft zur hl. Kommunion, als es mir der Beichtvater erlaubt. 2. Meine Freunde sollen allzeit Jesus und Maria sein. 3. Lieber sterben als sündigen! Diese Vorsätze las er oft. Sie waren der Leitstern in seinem weiteren Leben bis zu seinem Tod. In der Schule lernte der begabte Bub sehr gut. Er hatte es aber nicht leicht. Er hatte einen weiten Schulweg. Da fragte ihn eines Tages der Lehrer: Hast du denn keine Furcht, so allein den weiten Weg zu gehen? Und der Bub gab ohne lange Überlegung die Antwort: „Ich bin nicht allein. Ich habe den Schutzengel bei mir!“ – der Lehrer sagte dann: „Aber es muss dir doch schwer sein, viermal am Tag bei dieser Hitze den weiten Weg zu machen!“ – Und der Bub gab in unglaublicher Reife und staunenswerter gläubiger Tiefe die Antwort: „Nichts ist schwer und nichts ist hart, wenn man für einen Herrn arbeitet, der sehr gut zahlt!“ – Und wer ist dieser Herr? So fragte darauf der Lehrer. Und Dominikus antwortete: „Es ist Gott, der Schöpfer, der auch ein Glas Wasser bezahlt, wenn es ihm zulieb gegeben wird!“

Mit 12 Jahren kam der begabte Kerl in die 1. Klasse Gymnasium. Er wollte etwas Großes werden und Großes leisten für Gott und sein Reich. Wie, das war ihm noch nicht ganz klar.

In den Sommerferien lernte der hl. Don Bosco, dieser große Jugendapostel den kleinen Savio kennen. Ein Heiliger begegnete einem Seligen. Es kam zu einer Aussprache unter vier Augen. Dabei stellte der hl. Bubenkönig Don Bosco fest, welch staunenswerte religiöse Tiefe und charaktervolle Haltung der 13jährige Bub offenbarte. Den wollte er für sich gewinnen. Don Bosco sagte: Du bist aus gutem Stoff. Dich nehme ich mit nach Turin in mein Internat. Ich will was aus dir machen. Un der Bub antwortete: Nun, wenn ich aus gutem Stoff bin, dann braucht es einen guten Schneider, um was Ordentliches aus mir zu schneidern. Ich gehe mit.

In Turin setzte Dominikus Savio das Gymnasium fort und unter der Leitung eines Heiligen reifte der Bub heran zu einem Heiligen. Es ist staunenswert, wie rasch das ging. Freilich standen ihm sicher auch besondere Gnaden von Gott zur Verfügung. Aber Dominikus wirkte mit der Gnade Gottes ganz treu mit und arbeitete an sich mit einem unglaublichen Ernst.

Sechs Monate war Dominikus Savio im Heim Don Boscos in Turin. Da hörte er an einem Sonntag eine Predigt, die für den Buben eine entscheidende Wendung vom Besseren zum Besten bedeutete. Das Thema der Predigt war: „Es ist Gottes Wille, dass wir heilig werden. Und es ist nicht schwer, dies zu erreichen!“ – Das war wie ein Funke, der in sein gotterfülltes junges, begeisterungsfähiges Herz hineinfiel. Er schien von da an ganz verändert. Don Bosco fragte ihn am nächsten Tag, was mit ihm los sei. Da gestand es Dominikus Savio: „Hochwürden. Ich fühle es, ich muss heilig werden. Alles andere ist nichts. Gott will mich heilig haben. Und es muss schnell gehen. Ich fürchte, dass ich nicht mehr viel Zeit habe!“

Von da an rang dieser Bub mit einer Energie und Ausdauer um dieses große Ziel, dass sein heiliger Erzieher, Don Bosco, selber nicht mehr aus dem Staunen herauskam.

Äußerlich blieb er gleich froh und frisch und heiter, wie bisher. Er war immer dabei, wo es fröhlich herging. Beim Spiel und Sport war er sogar der Rädelsführer. Nie drückte er sich von der Gemeinschaft. Immer war er für die Kameraden da. Aber innerlich ging eine wundersame Wandlung vor. Er wurde ein großer, stiller Beter, unbemerkt von den anderen. Der Gottesmutter weihte er sich am 8. Dezember 1854 für immer und ewig. Sie sollte seine Führerin sein. Oft ging er zur hl. Kommunion. Und er hielt sich dabei an den Rat des hl. Don Bosco: „Lebe so, dass du täglich würdig kommunizieren kannst!“ Und gestärkt von dieser Himmelsspeise wuchsen in der Seele des Jungen die schönsten Tugenden heran: Reinheit, Frömmigkeit, glühende, opferbereite Gottesliebe und ein tapferer, einsatzbereiter Apostolatsgeist!

Reinheit: Dieser junge Bub war äußerlich und innerlich durch und durch sauber. Er hatte auch seine Versuchungen, aber er kämpfte, mutig und tapfer. Er wusste: ohne Selbstzucht kann der junge Mensch die Reinheit nicht bewahren. Darum sein Opfergeist und sein Bußeifer. Die größten Opfer wollte er sich auferlegen. Don Bosco musste bremsen, musste diesem vorwärtsstürmenden Rösslein Zügel anlegen: Ich erlaube dir nur, etwaige Kränkungen im Geiste der Buße geduldig zu ertragen, ebenso Hitze, Kälte, Müdigkeit und körperliche Leiden, die dir der liebe Gott vielleicht schon bald schickt! – Es kommt ja nicht auf die großen Opfer an. Es kommt auf die kleinen Opfer an, auf die Treue im Kleinen, auf die Selbstbeherrschung und darauf, dass man in allem treu und ernst Gott zuliebe seine Pflicht tut.

In einem Punkt bremste ihn Don Bosco nicht: Im Apostolat! Da ließ Don Bosco, dieser heilige Seelenführer und Erzieher dem jugendlichen Idealismus des Buben freie Bahn: „Suche Seelen für Gott zu gewinnen! Es gibt nichts Heiligeres auf der Welt, als an der Rettung der Seelen mitzuarbeiten!“ Und Dominikus wurde wirklich ein Apostel seinen Kameraden gegenüber: Keine Gelegenheit ließ er vorübergehen, um klug und mutig zugleich das Böse zu verhindern, zum Guten anzuspornen und die anderen zum Heiland zu führen. Sein apostolisches Beten für den Papst, die verfolgte Kirche, für die Missionare, um die Bekehrung der Sünder! Immer wieder drängte es ihn darum zu kurzen Besuchen in die Kirche hinein zum Heiland im Tabernakel. Ganz besonders übte er das Apostolat der Liebe in der Gemeinschaft. Ganz unbemerkt und verstohlen. Niemand sollte etwas davon merken, wie ein Heinzelmännchen (Schuhe putzen usw.). In der 4. Klasse Gymnasium ließ auf einmal die überhaupt schwächliche Gesundheit des Buben arg zu wünschen übrig. Der Arzt erkannte die Krankheit nicht recht. Wahrscheinlich war es Lungenschwäche. Er riet Luftveränderung an. So ging der Bub schweren Herzens von Don Bosco weg, nach Hause, um sich dort zu erholen. Der Selige war sich aber sicher, dass er zum Sterben heimgehe. Nur acht Tage war er daheim. Die ersten 4 Tage noch auf. Die letzten 4 Tage im Bett. Er bat selber um die hl. Sterbesakramente. Niemand wollte an sein nahes Ende glauben. Dominikus aber wiederholte noch einmal was er sich am Tag der ersten hl. Kommunion vorgenommen hatte: „Lieber sterben, als sündigen! Und nach der letzten hl. Kommunion sagte er: „Jetzt bin ich froh! Sagt es allen: Wer Jesus zum Freund und Begleiter hat, der fürchtet nichts mehr, auch nicht das Sterben!“ Am Abend des 9. März 1857 sagte er zum Vater: Auf Wiedersehen, Vater! Und dann rief er auf einmal: „O, was seh‘ ich doch Schönes!“ Dann schloss er die Augen. Für immer. Mit einer solch lächelnden Ruhe lag er da, dass der Vater meinte er sei nur nochmals eingeschlafen.

Seht, das ist der neue Selige! Der jetzt, in dieser Stunde die höchste Ehre erlangte, die einem Menschen zuteilwerden kann: Die Ehre der Altäre. Und wie die Tausenden im Petersdom, so wollen auch wir zu ihm rufen: seliger Dominikus Savio, bitte für uns! Dass auch wir das Ziel erreichen!